Der Wunsch

Ein echter Klassiker in den Seminaren zu Kalkulation und Kostenrechnung ist die Diskussion über einen angemessenen Preis für Produkte und Dienstleistungen. Denn häufig sind die Anwesenden Selbstständige, die täglich Preiskämpfen ausgesetzt sind. Immer geht es bei diesen Diskussionen heiß her. Und fast immer mache ich mich dabei nicht sonderlich beliebt.

Worum geht es? Es geht um die Frage, ob man „fair“ bezahlt wird. Ob der Kunde die Leistung zu würdigen weiß, die Qualität schätzt und honoriert, ob der Preis „unfair“ gedrückt oder die böse Konkurrenz zu völlig unmöglichen Niedrigpreisen anbietet. Oft, aber nicht nur, geht es dabei um Stundensätze für Dienstleistungen. Mmh. Was ist ein fairer Preis?

Üblicherweise wird das als fair angesehen, was man selbst gerne haben möchte. Man benötigt zum Leben und für alle laufenden Ausgaben plus Gewinnanteil pro Monat 10.000 € und kann 200 Stunden arbeiten (die Zahlen nur als leicht rechenbare Hausnummern) und somit sind 50 € ein fairer Preis. Bietet ein Kunde weniger, ist er unfair bis rücksichtslos und ein Mitbewerber, der 40 € haben will, kann wohl nicht rechnen (schlimmer noch: wenn der Kunde  auch mehr bezahlen würde, aber man sich nicht so recht traut, den Preis zu erhöhen).

Dafür gibt es durchaus verständliche Begründungen: Die besondere kreative Leistung bei Designarbeiten, das qualitativ hochwertige Material bei Produkten, die hohen Investitionen in den Maschinenpark, die lange Planungsphase bis hin zur eigenen Qualifikation mit Diplom, Zusatzausbildungen etc. die doch berücksichtigt werden müssten. Und in der Tat werden die Anstrengungen hinter einer Leistung oft unterschätzt. Aber dennoch: Leider ist das alles nicht von Interesse. Oder jedenfalls nur dann, wenn der Kunde es zu seinem Interesse erklärt, keinesfalls aber, wenn der Anbieter meint bestimmen zu müssen, was denn für die Zahlungsbereitschaft wichtig zu sein habe.

Die Realität

Entgegen einer weit verbreiteten Gefühlslage ist der Preis nicht eine Belohnung für zuvor abgeschlossene Ausbildungen, umfangreiche Investitionen oder harte Arbeit, sondern er ist nur eines: Ein Ausdruck dessen, was dem Kunden ein bestimmtes Ergebnis wert ist. Mehr nicht.

Natürlich, wenn der Kunde auf hohe Materialqualität, lange Erfahrung oder besondere Ausbildungen Wert legt, dann fließt das in den Preis ein. Das legt aber zu recht der Kunde fest, es gibt keine übergeordnete moralische Anforderung, dass das per se so zu sein habe. Als Überbringer dieser scheinbar schlechten Nachricht macht man sich zunächst nicht nur Freunde. Scheinbar schlechte Nachricht? Genau: Denn das Ganze hat auch etwas Positives und das eröffnet neue Perspektiven, die man anfangs bestenfalls erahnt. Es kann nämlich durchaus sein, dass einem Kunden eine Leistung deutlich mehr wert ist, als die selbstkalkulierten 50 €. Und hier liegen eine Menge Spielräume, die üblicherweise nicht ausgeschöpft und oft nicht einmal erkannt werden.

Die Chance

Unbemerkt und versteckt haben fast alle Anbieter Leistungen zu bieten, für die der Kunde eigentlich mehr zu zahlen bereit wäre, wenn man sich nicht nur an die standardisierte Pauschalkalkulation mit 50 € pro Stunde halten würden. Jede(r) kann irgendwann an irgendeiner Stelle etwas besser als die Konkurrenz. Kurzfristige zu erledigende Jobs, für die so schnell kein anderer Anbieter bereit steht, eine Anforderung, für die das Spezialwissen besonders hoch ist, eine besondere Produktionstechnik – Wettbewerbsvorteile eben. Aber oft werden auch hier die pauschalen, langweiligen 50 € pro Stunde berechnet, um beim Beispiel zu bleiben. Die Preischancen ergeben sich aus der Nutzung solcher Möglichkeiten, aus flexiblen Preisen, einer aufmerksamen Marktbeobachtung und dem richtigen Fingerspitzengefühl, die Preise kundenorientiert anzupassen – in beide Richtungen. Was sind Ihre Erfahrungen mit Preisverhandlungen?