Materialeinkauf in der BWA verstehen

Was soll an „Materialeinkauf in der BWA“ denn Besonderes zu verstehen sein? Material wird eingekauft, verbraucht und das erklärt sich von selbst – oder etwa nicht? Nein, eben nicht. In kaum einer Position der Betriebswirtschaftlichen Auswertung  (BWA) stecken mehr Fehler und Missverständnisse als im Materialeinkauf.

Dies ist auf eine fragwürdige Buchungspraxis zurückzuführen, die sich in Deutschland eingebürgert hat. Sie wird wie selbstverständlich hingenommen und nicht hinterfragt und führt zu teils drastischen Fehlausweisen in der BWA.

Es geht dabei um den Unterschied zwischen Materialeinkauf und Materialverbrauch. Schon der zweite Satz in diesem Abschnitt: „Material wird eingekauft, verbraucht …“ macht das Dilemma deutlich. Ein Einkauf und ein Verbrauch sind nämlich zwei grundverschiedene Dinge.

Materialeinkauf

Tatsächlich heißt diese BWA-Zeile in den Standard-BWAs „Mat./Wareneinkauf“ und eben nicht „Mat./Warenverbrauch“. Dabei sind mit Material/Waren klassischerweise in Produktionsbetrieben Rohstoffe und in Handelsbetrieben Handelswaren gemeint.

Auffällig also: Es ist eben nicht von MaterialVERBRAUCH, sondern von MaterialEINKAUF in der BWA die Rede. Der Unterschied ist erheblich: Kauft man Material ein, dann besitzt man es. Wenn es sein muss, über Monate hinweg, bis man es eines Tages verbraucht. Kauft man 50 Liter Öl ein, hat man es. Das ist die Bedeutung eines Einkaufs.

Wenn man hingegen Material verbraucht, hat man es nicht mehr, das ergibt sich aus dem Wortsinn. Wurden diese – womöglich Monate zuvor eingekauften – 50 Liter Öl in eine Maschine gekippt und dort als Schmieröl verbraucht, so kann man erst kann tatsächlich von einem Verbrauch sprechen.

Aber ist diese feine Unterscheidung relevant?

Die Relevanz des Materialeinkaufs

Und wie. Denn dieser scheinbar kleine Unterschied kann massive Auswirkungen haben – ein Einkauf ist an sich KEIN Wertverzehr! Das Unternehmen wird nicht ärmer, es hat nach dem Einkauf zwar weniger Geld, aber dafür mehr Material. Unterm Strich hat es nichts verloren, sondern lediglich den Vermögenswert Geld gegen den Vermögenswert Material getauscht, somit findet keine Gewinnminderung statt. Ein solcher Geschäftsvorfall hätte also in der BWA nichts zu suchen – und doch findet er sich dort.

Dies liegt daran, dass in gefühlt 3/4 der Unternehmen alle Material- und Wareneinkäufe sofort als Verbrauch gebucht werden. Man tut so, als wäre beim Einkauf das Material auch tatsächlich gleich verbraucht worden. Es wird keine Rücksicht darauf genommen, dass Material oder Handelswaren auch auf Vorrat eingekauft worden sein könnten, zum Beispiel weil die Preise gerade niedrig sind.

Auswirkungen der sofortigen Verbrauchsbuchung

Dann aber stimmen die monatlichen Ergebnisse nicht. Stellen Sie sich ein Unternehmen vor, das im Januar für 12 Millionen Euro Edelstahl einkauft, weil es gerade günstig ist, und dieses Material erst im Laufe von 12 Monaten bis Dezember verbrauchen möchte. Wird der Einkauf schon im Januar als Verbrauch (Wertverzehr) in voller Höhe gebucht, dann mindert sich auch der Gewinn im Januar in voller Höhe (also um 12 Millionen Euro), obwohl die Werte noch im Lager vorhanden sind. Zumindest 11 Millionen liegen noch dort, wenn man den tatsächlichen Verbrauch für den Januar einmal abziehen möchte.

Die Geschäftsführung, der die Januarzahlen dann vorgelegt werden, dürfte einen gehörigen Schrecken bekommen. Und wer im Februar zur Bank geht und die aktuelle BWA mitnimmt, dürfte einiges zu erklären haben. Diese Vorgehensweise ist daher höchst problematisch. Der Materialeinkauf in der BWA sollte besser als Materialverbrauch in der BWA bezeichnet und auch tatsächlich so gehandhabt werden.

Wichtig zu wissen: Materialeinkäufe, direkt in den Aufwand gebucht, erscheinen in der BWA in der Zeile „Mat./Wareneinkauf“ (die besser Materialverbrauch heißen würde), und verschlechtern damit das BWA-Ergebnis!

Materialeinkäufe, „in den Bestand“ gebucht, sind hingegen kein Wertverzehr und erscheinen daher überhaupt nicht in der BWA, bis später die Materialien tatsächlich entnommen und verbraucht werden. So sollte es sein. Ausnahmen davon besprechen wir im nächsten Blogpost.

Die „BWAchterbahn“

Nochmals verschlimmert wird die Situation, wenn der fälschlicherweise sofort als Aufwand gebuchte Materialeinkauf später tatsächlich verbraucht und die damit hergestellten Produkte verkauft werden. Dann nämlich erzielt man im Monat des Verkaufs Umsatzerlöse, denen kein Materialverbrauch mehr gegenübersteht.

Der Materialverbrauch kann nicht mehr gebucht werden, weil er ja schon zum Zeitpunkt des Einkaufs gebucht wurde. Somit hat man im Einkaufsmonat superschlechte und im Verkaufsmonat supergute Ergebnisse – die BWA fährt Achterbahn. Solche BWAs können Sie dann endgültig in die Tonne treten, ihre Aussagefähigkeit ist praktisch Null.

Aber warum macht man das? Und wie löst man ein solches Problem? Und ist diese Vorgehensweise tatsächlich immer falsch? (Nein, ist sie nicht, es gibt schon Situationen, in denen man so verfahren kann. Aber sehr oft eben auch nicht). Dazu mehr im nächsten Blogpost.